Ergebnisse der Untersuchungen zur Insektenfauna auf der Berliner Bahnbrache Biesenhorster Sand durch die NABU-Fachgruppe Entomologie



Lage des Untersuchungsgebietes

Der Biesenhorster Sand mit dem ehemaligen Rangierbahnhof Wuhlheide liegt in den Berliner Stadtteilen Karlshorst (Bezirk Lichtenberg-Hohenschönhausen) und Biesdorf (Bezirk Marzahn-Hellersdorf). Die östliche Grenze bildet der Berliner Außenring der Deutschen Bahn, die nördliche Grenze wird durch den U-Bahnabschnitt "Tierpark - Biesdorf Süd" der Linie U 5 markiert. Im Westen des Gebietes befinden sich Kleingartenanlagen sowie das aufgelassene ehemalige Kasernengelände Karlshorst und im Süden die Brunnengalerie des Wasserwerkes Wuhlheide. Das Gebiet ist etwa 2,9 km lang und rund 100 m bis 450 m breit. Es umfasst eine Fläche von etwa 80 Hektar.

Karte der Bahnbrache Biesenhorster Sand
Karte der Bahnbrache Biesenhorster Sand


Entwicklung des Gebietes

Die ursprüngliche Waldfläche wurde Mitte des 19. Jahrhunderts entwaldet und als Ackerfläche genutzt. 1914 erfolgte die Inbetriebnahme des Wasserwerkes Wuhlheide. Nach 1918 entstanden auf Feldflächen Kleinsiedlungen. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wichen diese Siedlungen dem Bau der Bahnanlage. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden Teile des Biesenhorster Sandes militärisch genutzt. Anfang der 50er Jahre entstand der Rangierbahnhof Wuhlheide. Daneben existierte ein russischer Armeeübungsplatz mit separatem Verladebahnhof. 1994 endete die militärische Nutzung und der Rangierbahnhof wurde stillgelegt. Im Anschluss daran wurden große Teile zurückgebaut.


Wertvoller Sandtrockenrasen im südlichen Bereich
des Biesenhorster Sandes unweit des
Stellwerkes Wuhlheide
 
Ausschnitt von der xerothermen Fläche auf dem
ehemaligen Rangierbahnhof im nördlichen Bereich
des Biesenhorster Sandes


Vegetation

Der Biesenhorster Sand stellt ein stark strukturiertes Gebiet dar. Neben den stillgelegten Gleisen finden sich hier für Berliner Verhältnisse außergewöhnlich große, offene Trockenrasenflächen mit Silbergrasfluren und vegetationslosen, sandigen Abschnitten. Die xerothermen Bereiche sind teilweise in thermophile Ruderalbiotope wie Halbtrockenrasen, Trockengebüsche und Eichenbestände eingebettet. Die Bahnbrache wird von zahlreichen sonnenexponierten Bahndämmen durchzogen, die mit Staudenfluren bewachsen sind. Im südlichen Bereich befindet sich eine Sandgrube, deren feuchter Boden im Frühjahr zeitweise mit Wasser bedeckt ist. Neben dem Vorkommen zahlreicher seltener und gefährdeter Pflanzenarten sind die Vegetationsbestände durch einen großen Arten- und Blütenreichtum gekennzeichnet. Auf dem Biesenhorster Sand wurden 382 Pflanzenarten nachgewiesen, darunter 21 Arten der Roten Liste Berlin. Bemerkenswerte Arten sind Gemeiner Steinquendel [Acinos arvensis], Gemüse-Lauch [Allium oleraceum], Gemeiner Wundklee [Anthyllis vulneraria], Kleines Mädesüß [Filipendula vulgaris], Finger-Steinbrech [Saxifraga tridactylites], Kegel-Leimkraut [Silene conica] und Tataren-Leimkraut [Silene tatarica].

Stillgelegtes Gleisbett mit Staudenpflanzen
Stillgelegtes Gleisbett mit Staudenpflanzen


Zielstellung

Da der Biesenhorster Sand mit seinen bemerkenswerten Biotopen und seiner sehr interessanten Pflanzenwelt ein für die Großstadt Berlin besonderes Gebiet darstellt, war zu vermuten, dort eine interessante Insektenfauna vorzufinden. Daher stellten sich die Mitglieder der Berliner NABU-Fachgruppe Entomologie die Aufgabe, die Entomofauna zu untersuchen. Um die Auswertung und Interpretation der Daten auf eine breite Basis zu stellen, wurden Schmetterlinge, Käfer, Bienen, Wespen und Heuschrecken erfasst. Darüber hinaus fanden Wanzen, Halmfliegen, Raubfliegen und Netzflügler ihre Berücksichtigung.

Sonnenexponierte Betonschwellen,
ein wichtiger Nistplatz für viele Wespen
und Bienen
 
Blick in die mit Schilf bewachsene Sandgrube,
deren feuchter Boden im Frühjahr zeitweise
mit Wasser bedeckt ist


Methodik

Von 2001 bis 2004 wurde das Gebiet Biesenhorster Sand intensiv entomologisch untersucht. Zur Bearbeitung erfolgten Begehungen des Geländes am Tag und auch während der Nacht. Als Nachweismethoden kamen zum Einsatz: Köder- und Lichtfänge, nächtliches Ableuchten von Strukturen und Futterpflanzen, Raupenaufsammlungen, Fänge mit Pheromonen, Bodenfallen, Farbschalen, Käschern, Käfersieben und Klopfschirmen. Im Durchschnitt waren 12 Entomologen regelmäßig ehrenamtlich im Untersuchungsgebiet tätig. Pro Jahr wurden zwischen 50 und 125 Exkursionen durchgeführt, verbunden mit anschließender Präparation und Bestimmung der gesammelten Insekten sowie der Datenauswertung.

Lichtfang im südlichen Bereich des Biesenhorster Sandes
Lichtfang im südlichen Bereich des Biesenhorster Sandes


Ergebnisse

Auf den insgesamt 398 durchgeführten Exkursionen wurden 388 Schmetterlings-, 778 Käfer-, 135 Wespen-, 139 Bienen-, 139 Wanzen-, 22 Heuschrecken-, 46 Halmfliegen-, 8 Raubfliegen- und 10 Netzflüglerarten festgestellt. Weiterhin wurden 38 Insektenarten nachgewiesen, die als Erzeuger von Pflanzengallen und Blattminen gelten. Die enorme Anzahl von insgesamt 1703 Arten belegt den hohen Wert des Biesenhorster Sandes als Gebiet für die Insektenvielfalt innerhalb der Großstadt Berlin. Hervorzuheben ist die große Anzahl von 236 (14 %) in ihrer Existenz gefährdeten Insektenarten (Kategorien 1, 2, 3 und G der Roten Liste von Berlin). Viele dieser Insektenarten zeigen eine enge Bindung an xerotherme Habitate. Die Wertigkeit des Gebietes wird durch die Wiederfunde von drei Käfer-, sechs Wespen- und zwei Bienenarten seit mehr als 30, 50 oder 100 Jahren und durch die Erstnachweise von drei Käfer- und sieben Wanzenarten für Berlin unterstrichen. Allein von den in Berlin aktuell vorkommenden Laufkäfer- und Heuschreckenarten wurden über 50 % auf dem Biesenhorster Sand gefunden. Das Vorkommen einer Reihe von Insektenarten ist in Berlin auf den Biesenhorster Sand beschränkt. Um die regional und auch überregional hervorragende Artenvielfalt des Biesenhorster Sandes zu sichern, ist eine Unterschutzstellung des Gebietes verbunden mit einer Biotoppflege notwendig.



    Literatur:
    Märkische Entomologische Nachrichten (2005), Sonderheft 3, S. 1 - 122
    Weiterführende Links:
    NABU Projekt Biesenhorster Sand



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